Mittwoch, 5. Januar 2011

Lass mich dein Spice Girl sein

Ich lebe zur falschen Zeit. Hätte man mich im Mittelalter oder wenigstens in der frühen Neuzeit rausgeschubst, wäre ich ein reiches Mädchen gewesen. Damals waren Gewürze unglaublich wertvoll. Besonders Muskatnuss und Gewürznelken waren damals hip. Pfeffer wurde sogar in Gold aufgewogen und Pfeffersack war nicht etwa ein Schimpfwort für einen dicken Menschen, sondern ein Ausdruck der Anerkennung für eine reiche Person. Heute sind die teuersten Gewürze Safran, Vanille und Kardamom. Steht alles bei uns im Regal, aber in so kleiner Menge, dass das einzige mit vier Wänden, das ich davon kaufen könnte, ein Kaugummiautomat ist.
Gewürze waren damals so kostbar, weil man sie nicht nur zur Speisenverfeinerung, sondern auch als Konservierungs- und Arzneimittel einsetzte. Hildegard von Bingen war eine große Kennerin der Heilkraft von Gewürzen, was wahrscheinlich daran lag, dass sie selbst ständig krank war, ja, sogar Visionen hatte. Ob die von den Gewürzaromen kamen, ist nicht überliefert, aber bei einer Äbtissin eher unwahrscheinlich. Zumindest offiziell. Ziemlich offiziell war hingegen, dass irgendein Gewürz dem Kaufmann Anton Fugger ordentlich die Gehirnwindungen vernebelt haben muss: Er verbrannte die Schuldscheine Kaiser Karls V vor dessen Augen auf einem Scheiterhaufen aus Zimtstangen. Das war ungefähr so als würde Dagobert Duck seinen Geldspeicher anzünden, nur um sich eine Schale Popcorn zu rösten. Dabei soll Zimt doch genau solche Hitzköpfigkeit verhindern. Angeblich senkt er den Blutdruck, wärmt und versetzt uns allein durch seinen Geruch in feierliche Stimmung. Letzterer kommt von den ätherischen Ölen, die man in mehr oder weniger starker Ausprägung bei fast allen Gewürzen findet. Je nach Geruch und/oder Inhaltsstoffen, können sie aufmunternd und konzentrationsfördernd wirken (Kakao- und Kaffeebohnen, Guarana), entspannen und beruhigen (Salbei) oder aphrodisierend wirken (Chili, Ingwer). Ein perfekter Gewürztag könnte also so aussehen: Man dopt sich mit Kaffee in den Tag (was die meisten ganz instinktiv ohnehin machen), regt mit Rosmarin den Vormittag über den Appetit an bis man ein extra großes Mittagessen mit viel Zwiebeln und Knoblauch zu sich nimmt, weil die beiden die Fettverdauung so schön fördern. Nachmittags versucht man mit Fenchel und Anis die Blähungen vom Mittagessen in den Griff und die Kollegen wieder zurück ins Großraumbüro zu bekommen, bevor man sich kurz vor Feierabend ein paar geschmacksverbessernde Orangenblüten einpfeift, um dem Abendessen der Holden zuhause wenigstens etwas von seiner Styroporhaftigkeit zu nehmen. Als Belohnung fürs Kochen (und Runterwürgen) gibts für beide dann eine Scheibe aphrodisierenden Ingwer - und wenn der Akt als solcher nicht als Entspannungshilfe taugt, wird als Betthupferl eben noch eine Muskatnuss gelutscht. Ich werde mir außerdem noch eine Salzmaske ins Gesicht hauen. Das konserviert nämlich, ich werde dieses Jahr schließlich schon 29. Zum fünften Mal.

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