Sonntag, 26. Februar 2012

Die Gläser sind gefallen

„Mit Essen spielt man nicht“ – das lernt man, sobald man einen Löffel selber halten kann. Mit Trinken darf man anscheinend aber sehr wohl spielen. Anders lässt sich die Popularität von Trinkspielen nicht erklären. Kaum kennt man den Unterschied zwischen Männlein und Weiblein (und welche Möglichkeiten der eröffnet), wird Flaschendrehen gespielt, um unvervänglich ein bisschen Knutschen zu üben. Weil nach ein paar Jahren aber fast alle ehemaligen Flaschendreh-Spieler in festen Beziehungen landen (nicht unbedingt mit dem Flaschendreh-Knutschpartner, aber das ist eine andere Geschichte), müssen irgendwann andere Getränke-affine Spiele her. Spontan-Besäufnisse klappen großartig mit Scharade: Reihum müssen die Mitspieler einen Begriff pantomimisch darstellen, die anderen müssen ihn erraten und die beiden, die neben der Leuchte sitzen, die die richtige Lösung findet, dürfen einen Kurzen trinken. Gehört man zu den Zeitgenossen, die stets gut vorbereitet und professionell ausgestattet sein wollen, bietet sich der Kauf eines Trink- und Fröhlichkeits-fördernden Gesellschaftsspiels an. So gibt es beispielsweise eine Version von „Mensch ärgere dich nicht“, in der die Spielfiguren aus gefüllten Schnapsgläsern bestehen, die ausgetrunken werden müssen, wenn man überrundet wird oder mit dem betreffenden Schnapsglas ins Ziel kommt. Großartig auch unsere neueste Entdeckung „Looping Louie“. Eigentlich ein Kinderspiel für den Nachwuchs ab vier Jahren, lässt sich das Plastikkarussell auch perfekt für Erwachsene bis vier Promille einsetzen. Es geht darum, drei auf Plastiktaler geklebte Hühner vor dem wild in seinem Flugzeug herumkreiselnden Louie zu retten, indem man Letzteren mit einer Plastikwippe in die Luft katapultiert sobald er sich dem eigenen „Hühnerstall“ nähert. Wer als Erster keine Hühner mehr auf der Stange hat, muss ein alkoholisches Getränk seiner Wahl auf Ex kippen. Wer vergisst, sein Federvieh wieder in den Plastikstall zu stecken, bevor sich alle Spieler an den Händen fassen und zum Spielstart euphorisiert „Looping Louie!“ rufen, ebenfalls. Mit dieser Ringelreih'-Bewegung kommt man der Ursprungsbedeutung des Wortes „spil“, also Tanzbewegung, wohl näher als mit den meisten anderen Gesellschaftsspielen, in denen man Würfel durch die Gegend kegelt. Und mehr noch: irgendwann schwankt die eine Hälfte der Spieler mehr oder weniger im Gleichtakt vor sich hin, während die andere extatisch herumhüpft und mit wilden,stammestanzähnlichen Hebelbewegungen versucht, das kreisende Flugzeug – von dem es je nach Pegel plötzlich zwei bis drei zu geben scheint – abzuwehren. Und am Ende bestätigt sich an solchen Abenden fast jedes Mal die Feststellung des Germanisten Karl Friedrich Wilhelm Wander: „Am Ende des Spiels wartet der Teufel.“ Im schlimmsten Fall in Form einer großen weißen Porzellanschüssel.

Montag, 20. Februar 2012

Brunch schön lecker

Frühstück ist die beste Mahlzeit des Tages – solange man sie gemütlich und ausgiebig am Wochenende zu sich nehmen kann. Unter der Woche bin ich kein großer Frühstücker. Ich finde, dafür braucht man Zeit, das ist nichts, was man zwischen Aufstehen und Ins-Büro-gehen in sich hineinstopfen sollte. Also reduziere ich wochentags die Morgenmahlzeit auf einen Happen am Schreibtisch und fröne dem üppigen Gelage am Wochenende. Dabei ist es für mich essentiell, dass möglichst viel auf dem Tisch steht. Fünf Marmeladen im Regal? Super, alle druff aufs Büfett. Je voller, desto besser – auch, wenn ich nicht mal die Hälfte von dem durchprobieren kann, was sich da tummelt. Es geht darum, dass man die Auswahl hätte, nicht, dass man sie ausreizt. Deshalb liebe ich es auch, am Wochenende mit Freunden zum Brunchen zu gehen. „Ausschlafen und dann zwei Mahlzeiten auf einmal einnehmen. Super!“ – wie eine Kollegin es ausdrückte.
Während es noch relativ einfach ist, das Wort „Brunch“ auseinanderzufieseln und dadurch auch gleich klar wird, welche Mahlzeiten hier zusammen gezogen wurden (engl. „Breakfast“ und „Lunch“, also Frühstück und Mittagessen), ist beim deutschen „Frühstück“ zumindest der Ursprung des zweiten Wortteils nicht ganz selbsterklärend. Deshalb sei hiermit Licht in die Morgendämmerung gebracht: Das „Stück“ bezeichnete im 15. Jahrhundert das Brot, das am Morgen verspeist wurde, bevor es aufs Feld ging. Und löste als hipper neudeutscher Slangausdruck das bisher übliche „Morgenbröt“ ab. Zu Recht: „Stück“ - da hört man die Brotrinde förmlich knuspern, während „Bröt“ nach etwas klingt, das man bei Ikea kauft.
Laut einer im kulinarischen Fachblatt „Bild“ veröffentlichten Studie, frühstücken 39 Prozent der Deutschen zuhause, 26 Prozent am Arbeitsplatz, zehn Prozent auf dem Weg ins Büro und – Kreisch – neun Prozent GAR NICHT. Glaubt man diversen Studien, ist Letzteres grob fahrlässig. Mindestens. Denn angelblich trägt das Frühstück zu einer besseren Gedächtnisleitung, höherer Konzentration und mehr Wohlbefinden bei. Außerdem soll der Kohldampf mittags nicht ganz so groß sein, wenn man morgens gut gegessen hat. Eine Behauptung, die ich nicht bestätigen kann. Bei mir geht immer was rein. Egal, ob es nach dem Aufstehen einen Apfel oder die halbe Käsetheke und die ganze Bäckerei gab. Und auch Ernährungsberater Sven-David Müller, den „Bild“ als Fachmann für Frühstücksfragen aus dem Küchenschrank zog, sieht es nicht so eng mit der Regelmäßigkeit: „Niemand MUSS frühstücken“, sagt er und fügt hinzu: „Viele Menschen sind ohnehin so wohlgenährt, dass sie lieber gar nicht frühstücken sollten.“ Und genau für diese Menschen wurde der Brunch erfunden. Schlau, oder?

Montag, 13. Februar 2012

Auf zur Jagd - die Brötchen sind reif

Am Wochenende gehe ich morgens immer Brötchen holen. Auch, wenn wir eigentlich keine bräuchten. ich mache das gerne, da ist man draußen in der Wildnis des Straßenverkehrs und besorgt für die Familie zuhause was zu Essen. Brötchen in die Tüte, daheim kommt das Opfer auf den Teller, wird erstochen, ausgenommen und mit etwas gefüllt, was der Daheimgebliebene, der den Tisch decken musste, im Kühlschrank zusammengesucht hat. Den Frühstückstisch decken ist Sammeln . Brötchen holen ist Jagen! Sammeln liegt mir nicht so. Das ging schon beim Aufklebersammeln in der Grundschule los. Da hatte man solche Hefte mit glatten Seiten, von denen man die Aufkleber immer wieder abziehen konnte. Was ich da alles hatte: Schmetterlinge, Pferde, Blumen … ganz hip waren die Aufkleber, die so eine pelzige Oberfläche hatten und die Regenbogenmäßig glänzenden, die aussahen, als hätte man sie einmal nach einem Tankerunglück durchs Meerwasser gezogen. In der großen Pause haben dann alle ihre Aufkleberhefte rausgezogen und man hat versucht seine hässlichen Billigsticker gegen coole einzutauschen. Im Prinzip so, wie heute mit den Staatsanleihen, nur hat man bei den Aufklebern ziemlich schnell gemerkt, was man sich da für einen Schrott ins Heft geholt hat. Losgeworden ist man so einen Billigsticker meistens nicht mehr, wenn man ihn mal hatte.
Na ja. Nach der Schule kam dann irgendwann facebook. Und da wurde das mit dem Sammeln noch seltsamer, finde ich. Ständig bekomme ich Mittelungen, dass irgendjemand Leute sucht, die einem beim Holz sammeln helfen sollen, um einen Zaun in ihrem Farmville-Imperium aufzustellen oder die einem eine Kuh für einen Bauernhof schenken wollen, den man weder hat noch möchte. Ganz schlimm sind die Umarmungssammler. Wenn ich nur lese „XY möchte mit dir eine Umarmung teilen“ oder „ein Herz schenken“ , kommt mir der Cappucino wieder hoch.
Den schärfsten Sammler-Post habe ich aber vor ein paar Tagen gekriegt: Da suchte eine Freundin, die ich bisher für einigermaßen zurechnungsfähig gehalten hatte Titanauspuffe, um sich ein virtuelle Titanlabor in irgendeiner facebook-Anwendung zu bauen. Hallo? Ein Titanlabor? Was zur Hölle soll ich mit einem virtuellen Labor aus Titanauspuffen? Mich reinstellen, alle einschalten und tief durchatmen? Nein, sammeln ist nichts für mich.
Außer vielleicht auf Beerenplantagen. Aber da geht man ja nicht in erster Linie hin, um wirklich Beeren zu sammeln, sondern, um sich den Bauch vollzuschlagen und dann mit einer winzigen Tupperschüssel voller Erdbeeren an die Kasse vorbeizuschleichen. Also doch eher unter dem Vorwand sammeln zu wollen. Wir hatten das als Jugendliche perfektioniert und sind früher grundsätzlich mit einem Piccolo und einer Dose Sprühsahne auf die Erdbeerplantage. Wenn schon Obst klauen, dann mit Stil.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Gnocchi selbst gemacht, die 2.

Ich habe die Gnocchi überlistet. Vielleicht erinnern sich ein paar treue Leser, dass meinen Freund und mich Ende letzten Jahres die Kartoffelgnocchi hinterhältig getäuscht haben und auf der Zielgeraden bzw. kurz vor dem Teller zu Matsch zerfallen sind.
Heute habe ich meine Revanche genommen. Und zwar mit einem Rezept, dass nicht nur super-simpel, sondern auch super-schnell und mindestens ebenso lecker ist. Gefunden habe ich es auf www.kuechengoetter.de.
Man mixt einfach 250 Gramm Ricotta, 2 Teelöffel Meersalz und 30 Gramm frisch geriebenen Parmesan zu einer Paste, hebt dann das Mehl unter und knetet es zu einem feuchten Teig (er muss kleben, dann werden die Klößchen schön fluffig). Mehl auf Tischplatte und Händen großflächig verteilen und aus dem Teig eine fingerdicke Wurst rollen, die dann in kleine Stückchen geschnitten und behutsam in siedendes (nicht mehr kochendes) Wasser gelassen werden. Einmal vorsichtig umrühren, damit nichts festklebt und warten bist die Gnocchi an die Oberfläche steigen. Ist in 15 Minuten fertig und gelingt sogar Teig-Trotteln wie mir. Aus dem Wasser heben und in Soße, Pesto oder Öl ertränken. Wer braucht schon Kartoffeln?

Samstag, 4. Februar 2012

War das fettig - bring mal einen Schnaps!

Ich habe eine interessante Entdeckung gemacht: Schnaps ist eine Spirituose (das ist noch nicht das Interessante, sondern nur die Hinleitung dazu, denn:)Spirituosen sind alkoholische Flüssigkeiten, die – Achtung: Zum Menschlichen Genuss bestimmt sind und organoleptische Eigenschaften haben. Für alle, die ihre Gehirnzellen für Fachvokabular schon versoffen haben: Organoleptisch heißt soviel wie „Sinne und Organe berührend“. Wenn es gut läuft, berührt Schnaps das Gute-Laune-Töpfchen, das fröhlich übersprudelt, seinen Besitzer beste Stimmung verbreiten lässt und den Abend so richtig in Schwung bringt. Wenn es schlecht läuft, berührt er die Magenschleimhaut und das Essen, das er eigentlich hätte verdauen helfen sollen, kommt postwendend retour.
Früher bezeichnete man derartige Sinnlichkeits-Bomben als Branntwein. Genaugenommen ist nämlich auch "Spirituose" ein Fremdwort, das lateinische für „Geist“. Weil man aber auch noch strudelstramm einen Kurzen bestellen können will, hat sich der einfacher auszusprechende Begriff „Schnaps“ eingebürgert. Der kommt von „schnappen“, also schnell runterkippen. Leicht zu merken – und zur Not auch pantomimisch darzustellen.
Entweder wird Schnaps hergestellt, indem man Früchte und Beeren in Alkohol einlegt oder zuckerhaltige Lösungen, Maische oder Getreide vergären lässt. Anschließend wird die Pansche mindestens einmal destilliert und mit Wasser auf Trinkbarkeit runter verdünnt. Ob das, was dabei rauskommt, Geist, Brand oder Wasser heißt (Ersteres und Letzteres natürlich nur im übertragenen Sinn, hängt von der Entstehung der jeweiligen Flüssigkeit ab. Brände und Wässer werden aus Fruchtmaischen hergestellt, beim Geist umspült geschmacksneutraler hochprozentiger Alkohol zerkleinerte Früchte so lange bis Schnaps draus wird.
Dass Schnaps und andere Spirituosen viel teurer sind als beispielsweise Bier, liegt daran, dass in Deutschland auf sie sowohl eine Branntweinsteuer als auch die reguläre Umsatzsteuer erhoben wird. Rund 2 Milliarden Euro bekommt der Bund pro Jahr für die klaren Rauschbescherer! Da braucht man doch erstmal einen Schnaps, um das zu verdauen.
Apropos verdauen: Schnaps ist nicht nur wegen seiner verdauungsfördernden Wirkung (die Wissenschaftler ohnehin widerlegt haben wollen) ein unglaublich effizienter Alkohol. Er fängt auch schon bei der Mundschleimhaut an in den Körper zu krabbeln, während Bier erst über die Magenschleimhaut aufgenommen wird. Kein Wunder, dass auf wiktionary.org unter dem Stichwort „Schnaps“ einer der Beispielsätze lautet: „Schnaps, das war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort.“
Deutlich wundersamer finde ich, dass Schnaps durch die volle Bandbreite dekliniert werden kann. Wann braucht man denn schon den Genitiv „des Schnapses“? Akkusativ und Nominativ würden völlig ausreichen für vorher: „Noch einen Schnaps!“ und nachher: „Der letzte Schnaps muss schlecht gewesen sein.“
Übrigens, und damit soll der alkoholichen Weisheiten für heute genug sein: Der Begriff „Schnapsdrossel“ hat nichts mit einem besoffenen Vogel zu tun. Drossel war früher ein Synonym für Kehle. Daher auch das Wort „erdrosseln“ für „jemanden erwürgen.“ Da die meisten nach ein paar Gläschen Schnaps aber schon froh sind, wenn sie noch aufrecht stehen können, ist es recht unwahrscheinlich, dass sie jemanden erwürgen. Ist ohnehin viel lustiger, wenn alle untot wieder nach Hause kommen nach einem feucht-fröhlichen Abend - und sich erst am nächsten Morgen wünschen tot zu sein. Prost!