Samstag, 31. März 2012

Ich will ja nichts sagen, aber gehört das so...?

Es gibt gute Beifahrer und schlechte. Die guten halten einfach die Klappe und gegebenenfalls sich selbst am Türgriff fest. Die schlechten bereichern die Fahrt mit Kommentaren wie "Ich glaube, du kannst jetzt in den vierten Gang schalten", auch wenn man Automatik fährt, "Du hast gesehen, dass da vorne eine Ampel kommt?" oder - die schlimmste Sorte - zucken die ganze Zeit mit ihren Pratzen Richtung Lenkrad oder bremsen auf dem Boden mit oder besser: vor, wenn sie es für angemessen halten, dass der Fahrer genau jetzt die Geschwindigkeit reduziert.
Fast noch nervtötender als schlechte Beifahrer sind schlechte Beikocher. Ein besonders hartnäckiges Exemplar hat sich letztens in die Küche meiner Freundin verirrt und die seine Beziehung mit ihr beendet bevor sie überhaupt angefangen hatte.
Dabei hatte sie eigentlich alles richtig gemacht und sich an die alte Nichthausfrauen-Regel gehalten: "Wenn jemand kommt, bei dem du aufgeregt bist, aber trotzdem einen guten Eindruck hinterlassen willst, koche etwas Idiotensicheres." Es gab also Gemüsepfanne mit Nudeln. Und das Unglück nahm seinen Lauf. Schon als sie die Champignons aus der Plastikschale nahm, bemerkte er, dass sie unbedingt die Stiele entfernen müsse, da die Pilze sonst bitter werden könnten und man Champignons auf keinen Fall waschen, sondern nur bürsten dürfe, um ihren Geschmack nicht zu verwässern. Bei den Tomaten provozierte er eine hitzige Diskussion, ob man sie erst in Scheiben und dann in Würfel oder erst in Schiffchen und dann in Würfel schneidet und als das Nudelwasser kochte erklärte er, dass er es immer schade fände, wenn die Pasta nicht selbst gemacht sei, wo das dosch so einfach und so viel schmackhafter wäre als die harten Dinger aus der Packung. Eskaliert ist die Situation dann nachdem er nach einer halben Stunde Vortrag über die Rotweinanbau-Gebiete Frankreichs (sie tranken Pinot Grigio, den sie selbstverständlich mit einem völlig indiskutablen Korkenzieher geöffnet hatte)nahtlos überging zu einem Plädoyer für Fleur de Sel und gegen ihren schnöden Kochsalzstreuer. Sie hat ihm den Inhalt seines Tellers mehr oder weniger zielgenau in die linke Jackentasche gekippt, geschrien, er könne ja unterwegs essen, sie wolle ihn hier nicht mehr sehen und ihn vor die Tür gesetzt. Liebe geht eben doch immer durch den Magen - so oder so. Ich jedenfalls habe den Laptop, an dem Achim immer sitzt und einfach nichts sagt, wenn ich einen meiner seltenen Kochanfälle bekomme, noch nie so gemocht wie jetzt.

Montag, 26. März 2012

Open-Air Eating

Das Hoch Harry macht den Weg frei - für Eranos, für Prandium oder - für alle nicht Alt-Griechen und -Römer, fürs Picknick. Das Essen draußen gibt es nämlich unter obigen Bezeichnungen schon in der Antike. Allerdings hatt das Essen im Freien damals eher pragmatische als romantische und soziale wie heute. Wer das heutige Wort "Picknick" erfunden hat, darüber streiten sich die Franzosen ("pique"= aufpicken, "nique"= Kleinigkeit)und Engländer (ein Lord bezeichnete eine Versammlung - ohne Essen - als "picnic"). Letztere sind seit jeher große Picknikcer: Queen Victoria speiste quasi nur im Freien und auch der klassische Picknickkorb ist eine Erfindung der Angelsachsen. Der hat solch praktische Vorrichtungen wie Anschnallgurte für Teller, Fächer fürs Besteck und einen Haufen Platz für allerlei Häppchen, die dank diverser Frauenzeitschriften immer ausgefallener werden. Statt Essiggurken, Würstchen und Kartoffelsalat kommen jetzt Wraps mit Putenschinken, Paprikaschinken und Honig-Dijon-Senf, Miniquiches, Tomatenmuffins und Chilibällchen mit Raukequark auf die Karodecke. Auch Bier hat als Picknick-Getränk ausgedient. Der Picknicker von Welt schlürft heutzutage selbstgemachte Salbei-Minz-Limonade. Fehlt eigentlich nur noch, dass jemand eine Eismaschine aus dem Korb fummelt und anfängt, sein Nachtisch-Sorbet anzurühren. Wer lieber schriftstellerischen Ergüssen lauscht als sich mit seinen Mit-Picknickern zu unterhalten und das Mitgebrachte auf einem Teppich klangvoll-geschliffener Worte verspeisen möchte, der kann zum Literarischen Picknick gehen, einem Lesefest in Berlin-Kreuzberg. Wer Musik als Hintergrundrauschen bevorzugt, kann zum Festival "Melt!Picknick" und wer Fleisch nicht nur auf dem Teller, sondern auch auf dem Spielfeld mag, kann sein Picknick in Münster beim Polo einnehmen.
Mir ist es ja am liebsten, wenn ich bei meinen Picknicks Gras unter dem Hintern, Wasser vor der der Nase und nette Leute um mich herum habe und jeder irgendwas zu Essen mitbringt. Ein ganz wichtiges Utensil habe ich von einer Freundin aus München bekommen: einen rot-weiß-gestreiften Mini-Salzstreuer mit blauen Blumen, den man rieselfest verschließen kann. Für die hart gekochten Eier. Mehr braucht man nicht. Mahlzeit!

Mittwoch, 21. März 2012

Teig doch mal

Letztens hat Steffen Henssler bei "Lanz kocht" ziemlich einstecken müssen. Er hat eine Kartoffelpizza gemacht, aus Blätterteig mit Kartoffelscheiben und Südtiroler Speck, die bei seinen Starkoch-Kollegen gar nicht gut ankam.
Ich habe mich sehr gefreut. Nicht, weil ich Steffen Henssler nicht mag, sondern weil ich für ein Gericht von meinem Esser Lob bekommen habe, das der Profikoch nicht zur Zufriedenheit der Esser hingekriegt hat.
Allerdings besteht meine Kartoffelpizza nicht aus Blätterteig mit Kartoffelgarnitur, sondern aus Kartoffel-Parmesan-Teig, der dann nach Herzenslust und Gusto belegt werden kann. Vielleicht hätte Steffen Henssler auch eine Pizza aus Kartoffelteig gemacht, wenn er gewusst hätte, wie unglaublich beliebt Kartoffelteig ist. Sogar ein Patent für Spezialkartoffelteig mit Proteinanreicherung ist beim zuständigen Amt in der Schweiz angemeldet worden - um die Südtiroler Schlutzkrapfen noch gehaltvoller zu machen. Ein anderer Tüftler hat in den USA ein Patent für eine Kartoffelteig-Formmaschine angemeldet: Sie besteht aus Kammern samt
Antriebsstangen, die sich in den Kammerkolben erstrecken. Der Kartoffelteig wird dann durch die Zwischenräume gepresst und unten mittels eines sich wie ein Scheibenwischer bewegendes "Schneidorgan" (so der Patenttext) in mundgerechte Stücke geteilt. Schließlich ist Kartoffelteig ja nicht nur für Pizzen und Schlutzkrapfen da, sondern auch für Schupfnudeln und Gnocchi. Und die sollen hübsch kompakt in den Mund passen.
Weil es vor Kurzem aber hier schon einmal ein Gnocchi-Rezept gab, kommt jetzt die Kurzversion meines Kartoffelpizza-Rezepts aus dem Buch mit dem überraschenden Titel "Kartoffel" vom Mosaik Verlag:

1,2 kg mehligkochende Kartoffeln
100 g geriebenen Parmesan
200 g Mehl
6 EL Olivenöl
etwas Salz und Pfefer

Kartoffeln kochen, durch eine Presse drücken, mit Mehl, Parmesan und Öl zu einem geschmeidigen Teig verkneten, mit Salz und Pfeffer abschmecken. Zu einer etwa fausthohen Rolle formen und in ca. 1,5 Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Scheiben auf ein Backblech legen, eine leichte Delle in die Mitte drücken (Pizzaform eben) und nach Belieben belegen.

Montag, 19. März 2012

Es Grün(kern)t so grün

„Warum Laufen erfolgreich macht und Grünkernbratlinge nicht“ – so heißt ein Buch eines von mir sehr geschätzten Laufexperten. Vielleicht hat er recht damit, dass Grünkernbratlinge nicht erfolgreich machen, aber Grünkernbratlinge erfolgreich zu machen (und zu essen), ist ja auch schon was, finde ich. Nachdem ich das letzte Mal irgendwas Konsistenzschaffendes vergessen habe in die Grünkernmasse zu schütten (Baubeton, zum Beispiel)und das Ganze eine eher Knetmasse-mäßige Veranstaltung geworden ist, habe ich heute meinem Freund wieder das Küchenruder und die Grünkern-Rührschüssel überlassen. Und siehe da: Ein Traum von Grünkernbratlingen kam da aus der Pfanne - auch, wenn Achim nach dem ersten Bissen fragte: "Ist das jetzt lecker oder nur gesund?". Und tatsächlich klingt die Bezeichnung „Grünkern“ so überzogen öko, dass man eigentlich nicht davon ausgehen kann, dass das Zeug besser schmeckt als ein Weizengras-Drink - obwohl der vielleicht erträglich wäre, wenn man das Gras wegließe und nur das Weizen tränke. Noch überraschender ist die Schmackhaftigkeit der Bratlinge, wenn man weiß, dass Grünkern halbreifer gerösteter Dinkel ist. Dass er halbreif geerntet wird, ist einer Hungersnot geschuldet – oder besser: deren Drohen. Weil vor mehreren Jahrhunderten ein schlimmes Unwetter dem halbreifen Getreide arg zusetzte und es so zu Boden drückte, dass es zu verderben drohte, schnitten die Bauern die Ähren vorzeitig ab und trockneten das durchweichte Korn über dem Feuer. Weil das damit gebackene Brot so gut schmeckte, packten die Leute das halbreife Röstgut auch gleich noch in die Suppe. Es folgte ein kometenhafter Aufstieg des Grünkerns, der damals wahrscheinlich noch nicht Grünkern hieß - und in den 1860er-Jahren war das Röstgetreide dann so beliebt, dass eigene Darren für dessen Herstellung gebaut wurden. Weil Grünkern nach seinem Anbaugebiet auch badischer Reis genannt, also von Schwaben kultiviert wird, ist es nicht verwunderlich, dass nichts weggeworfen, sondern alles weiterverarbeitet wird. So füllt man die Spelzen beispielsweise in kleine Kissen, denen eine den gesunden Schlaf fördernde Wirkung nachgesagt wird. Sogar einen Eintrag in www.slowfood.de, der Arche des guten Geschmacks, hat Grünkern inzwischen bekommen. Im Odenwald gibt es ein Grünkern-Museum und einen Grünkern-Radweg. Irgendwie hat das Getreide also doch mit Sport zu tun. Obwohl ich den fränkischen Bierwanderweg kulinarisch gesehen doch reizvoller finde.

Freitag, 16. März 2012

Bier - einfach mal gären lassen

Deutschland ist Bierland. Jede dritte Brauerei, weltweit gerechnet, steht in der Bundesrepublik. Allein damit, von jeder dieser Manufakturen ein Bier zu probieren, würde mehr als 13 Jahre dauern. Profi-Trinker und Festival-Besucher würden es vielleicht auch in der Hälfte der Zeit schaffen, könnten sich allerdings an die meisten Biere mengenbedingt nicht mehr erinnern, sodass sie nach Beendigung des Experiments direkt wieder von vorne anfangen müssten. Sie wären also doch wieder bei 13 Jahren – aber deutlich mehr Gesamtpromille. Wie viel Umdrehungen ein Bier hat, ist für seine Sortenbezeichnung übrigens völlig unerheblich. Selbst ein Vollbier heißt nicht wegen seiner Wirkung auf den Trinker so, sondern aufgrund seiner Stammwürze. Besagtes Vollbier hat elf bis 14 Prozent und liegt damit auf Platz zwei hinter dem Starkbier mit mehr als 16 Prozent. Ein Schankbier hat sieben bis acht Prozent Stammwürze, ein Einfachbier nur zwei bis fünfeinhalb. Gemessen wird der Stammwürze-Gehalt, also alle nicht flüchtigen Inhaltsstoffe vom im Wasser gelösten Malz- und Hopfenanteil vor der Gärung, in Grad Plato auf jeweils 100 Gramm Bier (Wissenschaftler sind wahrscheinlich die einzigen, die auf die Idee kommen, Bier in Gramm zu messen. Diese nicht vergorenen Inhaltsstoffe sind zum Großteil Zucker,der während des Gärprozesses in Kohlendioxid und Alkohol umgewandelt wird. Nur rund 1/3 bleibt als Restzucker und nicht vergärbare Fitzelchen erhalten. Wenn man die Grad Stammwürze durch drei teilt, weiß man ungefähr wie viel Vol.-% Alkohol im Bier stecken. Randgruppen, die Bier lieber zum Rechnen als zum Trinken verwenden, ergötzen sich gerne auch mal an der großen Balling’schen Formel:
100 [(2,0665 A) + E]
—————————————————
300 + „Grad Stammwürze“ x 0.267 = Vol.-% Alkohol
Legende:
A = im fertigen Bier enthaltener Alkohol (in Gew.-%)
E = im fertigen Bier enthaltener, nicht vergorener Stammwürzeextrakt (in Gew.-%)
St = im nicht vergorenen Bier enthaltener ursprünglicher Stammwürzeextrakt (in Gew.-% = Grad Plato)

Aber, ganz ehrlich, wer will das schon? Das wäre, als wenn man sich ein 4.000-Euro „ich brenne alles nieder was bei drei nicht den Planeten verlassen hat“-Grill-Eldorado von Weber auf die Terrasse stellt und dann den Sommer damit verbringt auszurechnen, wie viele Rinderherden man mit X Flaschen feinsten Grillgases in welcher Zeit zu Steaks verbruzzeln hätte können während sich die Gartenspinnen über ein 1a-Baugerüst für ihre Netze freuen, weil der Rost kalt bleibt. Rechnen ist Pilates fürs Hirn – keiner weiß so richtig was es soll, aber alle machen ein wichtiges Gesicht dabei. Wenn die grauen Zellen schon gefordert sein wollen, dann bitte im Kampf gegen den Alkohol; nicht beim soften Hin- und Hergeschiebe theoretischer Werte, die eh keinen interessieren außer der Lebensgefährtin, die sie am nächsten Tag dazu missbraucht einem vorzurechnen, warum man einen solchen Schädel aufhat. Ganz ehrlich: Wenn einen dieser Zusammenhang interessieren würde, wäre man mit einem Alkomaten zusammen gezogen.
Schon eher interessant ist die Abhängigkeit der Biersteuer von der Stammwürze. Wenn man sich schon nach drei Halben den Gegenwert eines Mittelklasse-Neuwagens durch die Leber und direkt in die Kassen des Fiskus gejagt hätte, würde das Trinken ja schon währenddessen keinen Spaß machen, nicht erst am nächsten Morgen.
Berechnet wird der Regelsatz der Biersteuer je Grad Plato pro Hektoliter – und zwar mit 0,787 Euro. Ein Hektoliter Vollbier kommt auf ungefähr 9,44 Euro Steuer, also 1,9 Cent pro 0,2 Liter. Hochgerechnet auf eine Größe, die auch im Süden Deutschlands als Biergefäß anerkannt ist, sind das fast fünf Cent pro Hopfenkaltgetränk. Das klingt wenig. Ausgehend von der durchschnittlich anzunehmenden Bierverzehrmenge eines mittelmäßig trainierten Wiesn- oder Rockfestivalbesuchers kommt jedoch so pro Wochenende schon fast wieder der Kaufpreis eines Humpens zusammen, der ungetrunken ans Steueramt wandert. Aber gut, Freude soll man ja teilen. Und wenn man sich schon die inneren Organe kaputt macht, dann wenigstens mit guten Freunden und einer ordentlichen Party als durch Ärger, der im Bauch gärt.
Das Gären soll lieber das Bier übernehmen. Das ist auch so rücksichtsvoll, diesen Prozess in der Flasche oder im Fass zu vollziehen. Ob ein Bier ober- oder untergärig ist, hängt von der verwendeten Hefe ab. Obergärige Hefe schwimmt nach dem Brauvorgang auf dem Sud, so dass die Kolonien ohne Probleme abgeschöpft werden können. Bei untergäriger Hefe muss der Braumeister entweder passionierter Taucher sein – oder die Hefe eben unten am Kesselboden lassen. Das einzige obergärige Bier, das auch die Bayern als Bier durchgehen lassen, ist das Weißbier. Kölsch, Alt und Berliner Weiße werden von Bewohnern Süddeutschlands eher in die Kategorie „A geh“ (Tu‘ das Zeug weg) oder „greislig“ (geschmacklich optimierungsfähig) eingeordnet. Dass der Bayer so an seinem „Weizen“ hängt, liegt vermutlich auch daran, dass er es quasi von Kindesbeinen an kennt – den Kindesbeinen des Bieres, nicht der eigenen. Denn bevor es ein ausgewachsenes Weizen wird, wird das Jungbier, das in Deutschland mindestens zur Hälfte aus Weizenmalz hergestellt werden muss, erstmal in die Flasche geschickt. Dort reift es, wird mit Würze veredelt und am Ende liebevoll filtriert bevor es dem Höhepunkt (und dem baldigen Ende) seines schäumenden Lebens in einem schlanken, hohen Glas entgegenfließt. Das hat diese spezielle Form, damit die im Bier enthaltene Kohlensäure nach oben steigen kann und das Bier länger spritzig und frisch bleibt. Profis schenken die komplette Portion ohne Absetzen ab. Der Trick: Die Flasche so halten, dass die Hefe erst spät aufgewirbelt wird und nicht sofort Schaum erzeugt. Und: Weißbier schmeckt nur richtig kühl.
Kälte mögen auch untergärige Biere wie Helles, Pils, Lager und Schwarzbier gern. Und zwar schon bei ihrer Entstehung. Während obergärige Hefe nämlich am besten bei Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad arbeitet, läuft untergärige Hefe bei vier bis neun Grad zu Hochform auf. Betritt man also einen Gärkeller, in dem man leicht fröstelt, wird dort ziemlich sicher untergäriges Bier hergestellt. Weil im Rheinland wegen des milderen Klimas nur selten Eis und Frost hatten, war die untergärige Hefe quasi im Dauerstreik und die Bewohner dieses Landstrichs mussten sich mit Kölsch und Alt begnügen, das sie (aus welchen Gründen auch immer) in winzige Gefäße kippten. Die Bayern und Württemberger dagegen wussten gar nicht wohin mit dem Schnee, also benutzten sie ihn, um die Hefe zu Meisterwerken wie dem hellen Bier zu motivieren.
Ein Spezialfall ist das Bock- oder Starkbier. Es gibt ober- und untergärige Sorten. Alle haben jedoch eine sehr dickflüssige Maische, dem Brei wird nur wenig Wasser zugesetzt. Sie sind schwer und kalorienreich. Eine Unterkategorie, den Doppelbock, nutzten im 17. Jahrhundert die Paulanermönche deshalb gezielt als Nahrungsersatz in der Fastenzeit. Eher versehentlich entstand eine andere Bockbier-Art, der Eisbock. Ein Braugeselle im oberfränkischen Kulmbach soll der Überlieferung nach zu faul gewesen sein, die draußen gelagerten Fässer kurz vor Feierabend noch nach drinnen zu rollen – mit dem Ergebnis, dass deren Inhalt gefror. Der zürnende Meister zwang den Gesellen am nächsten Morgen, zur Strafe die Eisblöcke aufzuschlagen und das Konzentrat aus Alkohol und anderer Bierbestandteile, das sich im Inneren angesammelt hatte auszutrinken. Dass die Strafe gar nicht so grausam war belegt die Tatsache, dass es den Eisbock noch heute gibt.

Montag, 12. März 2012

Pulled Pork: Da fliegen die Fetzen

Pulled Pork ist kein Essen, Pulled Pork ist eine Mission. Dabei ist es - wörtlich genommen - einfach nur zerfleddertes Schweinefleisch. Grill-Connaisseure zelebrieren dessen Zubereitung regelrecht. Garzeiten von bis zu 16 Stunden sind ganz normal - und dem Anlass natürlich mehr als angemessen. Kein Wunder, dass das Pulled Pork in seinem Heimatland USA meist den krönenden Abschluss eines kompletten Grilltages darstellt: Während das Schweinchen weichgegrillt wird, haut sich die Familie schon mal hemmungslos Würstchen und Kartoffelsalat rein, damit auch ja jeder pappsatt ist, wenn es an die Gourmet-Grillage geht. Noch unverständlicher ist, dass es komplette You-Tube-Videotheken mit Tutorials zur richtigen Zubereitung von Fledderfleisch gibt - inklusive detaillierter, milligrammgenauer Angabe der Zusammensetzung für den Rub, mit dem die Delikatesse eingerieben wird, bevor sie aufs Feuer kommt, dann stundenlang gegrillt, die Kerntemperatur überwacht und das Fleisch gefeudelt wie ein frischgeschlüpfter Säugling wird. Es sogar verschiedene Arten wie Tennessee-Pulled-Pork mit Fleisch aus verschiedenen Schulterstücken oder im North-Carolina-Style gibt, wo mehr oder weniger das komplette Schwein gegrillt und auseinandergezupft werden kann. Und dann wird das mühsam zubereitete Stück Schwein und mit ihm aller Zubereitungs-Mythos in ein billiges Burger-Brötchen geklatscht und mit in Sahne oder sonstwas Fettreichem, Milchig-Weißen schwimmenden Krautsalat erstickt. Wenn das den Geschmack noch nicht vollkommen getötet hat, spritzt man Fertig-Barbecue-Soße aus der Mega-Flasche vom Discount-Supermarkt um die Ecke drauf. Ein paar E-Nummern können ja nicht schaden.
Ein wenig gnädiger gehen die Mexikaner mit ihren gestückelten Schweinen um, die dortzulande "Cochinita pibil" heißten. Sie kippen Zitrussaft drauf, schlagen die Fleischstücke in ein Bananenblatt ein und rösten sie; die Italiener bereiten ihr knochenloses Schwein mit einer großzügigen Portion Salz, Knoblauch, Rosmarin, Fenchel und Kräuter zu und nennen es "Porchetta". Wahrscheinlich isst man das auch im Brötchen, aber in Italien hat ja sogar schnödes Weißbrot irgendwie Stil.
Wir haben zum Angrillen vor ein paar Tagen trotzdem die US-Variante ausprobiert, ein Essen, auf das man seit dem Morgen wartet, muss ja ein wenig Substanz haben. Das erste Schweinchen wollte sich noch nicht so richtig vom Knochen ziehen lassen, weil es sich nur sechs Stunden auf dem Grill suhlen durfte. Es wurde aufgrund nicht mehr unterdrückbarer Fressgrantigkeit vor allem seitens der weiblichen Gäste kurzerhand in eine Art Steak umgewandelt. Das zweite hat sich toll pullen lassen - allerdings haben wir davon kaum noch was in die prallen Bäuche bekommen lassen, weil da schon sein Vorgänger drinlag. Aber so ein Ferkel schmeckt ja auch zum Frühstück. Sehr gut sogar.

Donnerstag, 8. März 2012

Riesenblasen? Ein Abgesang auf den Kaugummiautomaten

Kann mir jemand sagen, wo all die Kaugummiautomaten hin sind? Früher waren die an jeder Ecke gehangen: Über dem Fahrradständer beim Metzger, am Kino neben dem Außen-Plakatkasten, vor dem Supermarkt und an der Eisdiele sowieso (wer schon mal sein Spaghetti-Eis mit den bunten Kügelchen zu verfeinern versucht hat weiß, warum die Automaten zumindest dort nicht mehr hängen). Inzwischen findet man sie nur noch in Aushilfsjobs: Als Erdnuss- und M&Ms-Ausspucker in Kneipen oder befüllt mit Sexspielzeug-befüllten Plastikbällchen auf Gastronomie-Toiletten. Wo sind die Automaten, aus denen man sich früher für 10 Pfennig so herrlich unnatürlich bunte Kaugummis herauslassen konnte, deren Geschmack sich beim ersten Kontakt mit dem Mund bereits komplett entlud und auf Nimmerwiderschmecken verschwand? Oder die, aus denen man sich lebensnotwendigen Schrott wie Plastikringe, Trillerpfeifen oder Miniautos ziehen konnte? Die Hersteller müssen doch ein Vermögen damit verdient haben! Wenn man mal nachrechnet wie viel das Spielzeug da drin maximal gekostet haben kann und wie viele Münzen allein schon ich jede Woche in meinem Stammautomaten um die Ecke versenkt habe, nur, weil der Ring, den ich unbedingt haben wollte, sich weigerte herauszuplumpsen. Heute würden die Mütter wahrscheinlich ihrem Kind sofort die Mundhöhle desinfizieren, wenn sie es mit einem solchen Automaten-Kaugummi zwischen den Bio-Gemüse-gestählten Zähnen erwischen würden – was da alles drin ist! Ein Wunder, dass wir es ohne schwere Schäden ins Erwachsenenalter geschafft haben! Gut, dass es jetzt nur noch Multi-Funktionskaugummis gibt, die die Zähne nicht nur weiß, sondern auch kariesfrei halten, die Mikrogranulate enthalten, die den Zahnstein wegrubbeln und auch gleich noch die Konzentration erhöhen.
Weil ich heute schon eine halbe Packung gekaut habe, aber keinen merklichen Konzentrations- oder Zahnweißglanz-Anstieg bemerken konnte, werd ich heute eine Nostalgiestunde einlegen, mir aus einem Blumentopf, einer runden Vase und ein paar bunten Karnevalskügelchen einen Kaugummiautomaten bauen, meinen Ring von damals an den Finger stecken und mich darüber freuen, dass ich noch Kaugummis gekaut habe, die mit den High-Tech-Dingern von heute nichts zu tun hatten. Danach gibt es dann ein paar PEZ-Brausebonbons aus meinem Bugs-Bunny-Spender. Gibt’s die eigentlich noch? Hach, schön wars!

Montag, 5. März 2012

Eine wackelige Angelegenheit

Als „Prinzessin unter den Fruchtaufstrichen“ bezeichnet die Zeitschrift Brigitte das Gelee als solches. Wahrscheinlich deshalb, weil es sehr sensibel reagiert, wenn es nicht genau so gemischt, gekocht oder behandelt wird, wie es sich das einbildet. Dann wird es eben nicht wabbelig-fest wie es sein soll, sondern schlabberig-flüssig. Das ist das letzte Mal beim Apfelgelee-Machen passiert. War trotzdem ein leckerer Brotaufstrich, aber man musste ziemlich schnell sein, um ihn vom Glas aufs Brötchen zu wuppen und die Backlöcher im Teig vorher mit Frisch- oder anderem Käse abdichten, damit das leckere Gelee nicht gleich wieder auf den Teller abhaute.
Eigentlich besteht Gelee – das aus dem Lateinischen übersetzt „zum Erstarren bringen“ heißt – aus überschaubar vielen Zutaten: Gelierzucker und Früchten. Verfeinern kann man es dann nach Lust und Laune. Hauptsächlich der Laune des Gelees. Das ändert nämlich, halbflüssig ins Glas gefüllt, in den nächsten Stunden und Minuten seine Konsistenz und auch den Geschmack mitunter noch dramatisch - ganz nach Stimmung. Genau wie meine selbst gebackenen Kekse vom letzten Weihnachtsfest, die frisch aus dem Ofen noch schön fluffig waren, sich nach einer halben Stunde auskühlen aber in etwas verwandelt hatten, das man super als flachen Kiesel über die Alsterwellen hätte spicken können, aber auf keinen Fall mehr ohne Plomben-Verlust essen.

Gelee, Marmelade und Konfitüre stehen im Supermarkt zwar meistens zusammen, haben aber eigentlich nichts gemeinsam. Während Konfitüre per Definition aus geschälten, entkernten und in Stücke geteilten oder zerdrückten Früchten jeglicher Art hergestellt werden darf, muss Marmelade aus Zitrusfrüchten bestehen (Erdbeermarmelade gibt es also gar nicht – das ist ja wie bei der Bielefeld-Verschwörung). Gelee dagegen ist ein gallertartig eingedickter Fruchtsaft oder eine Fruchtsaftmischung. Aha. Musste erstmal „gallert“ googeln: Das heißt „gefroren oder geronnen“. Gelee ist also etwas das mit einer Art Gerinnung zu etwas Erstarrtem wird. Klingt schwer nach Schüler-Chemiebaukasten. Und in Chemie war ich immer schlecht. Deshalb überlasse ich das Gelee machen meinem Freund. Der hat am Wochenende wieder ein paar Gläser perfekt gallertes Apfelerstarrtes gezaubert. Was Besseres gibt es nicht als Unterlage für Käse, Wurst und sogar Salatgurken. Deshalb gibt es das Rezept zum Nachexperimentieren untenstehend. Und noch ein Tipp: Wenn man das Gelee in Schraubgläser füllt, Letztere mit dem noch heißen Gelee randvoll macht und dann verschraubt kopfüber auf eine gerade Fläche stellt, entsteht ein Vakuum, dass die Leckerei innendrin haltbar macht.
Guten Appetit

Apfelgelee -so wird's gemacht:

900 ml Apfelsaft

4 Chillischoten,

15 Minuten kochen.

80ml Essig

250g Gelierzucker 2:1 Zugeben,

aufkochen und abfüllen.

Donnerstag, 1. März 2012

Schäumen will gelernt sein

Kaffee ist eigentlich überflüssig. Mir würde der Milchschaum genügen. Tut er genau genommen auch. Wenn ich weder total müde, noch in einem Café bin, zapfe ich mir am Kaffeevollautomaten im Büro meistens nur eine Tasse aufgeschäumte Milch und süße sie mit Honig. Fast wie früher als ich heiße Milch mit Honig zum Einschlafen bekommen habe. Statt süßer Träume bekam ich dadurch zwar mein erstes Loch im Zahn, aber eine schöne Erinnerung ist dieses Getränk trotzdem (zumindest schöner als die Erinnerung an den Zahnarztbohrer). Dabei ist Milchschaum schnöde, unromantische Wissenschaft: Während der unbedarfte Milchschaum-Abhängige davon ausgehen würde, dass die fluffige Konsistenz des Schaums dadurch entsteht, dass die Milch mit Luft durchmischt wird, würden es wahre Milchschaum- und Kaffeespezialitäten-Kenner niemals bei dieser schnöde-simplen Erklärung belassen. Den perfekten Milchschaum zu kreieren ist bei ihnen ein detailliert durchgetakteter Vorgang mit diversen zu kontrollierenden Parametern. Denn sie wissen: Für die Stabilität des Schaums ist der Eiweißgehalt der Milch maßgeblich. Da Protein ab 40 Grad Celsius gerinnt, entsteht bei zu hohen Temperaturen Baubeton-artiger Schaum. Je kälter die Milch ist, desto mehr Zeit hat man zum Schäumen. Die Schaumdüse wird vom Profi leicht mittig versetzt in den Milchbehälter gesteckt, geschmeidig an die Oberfläche gezogen, um Luft unterzuheben und in gesetzten Wirbelbewegungen wieder gen Boden gesenkt. „Rollen“ heißt das im Fachjargon. Voila, schon steht das perfekt durchgestylte, einfallsichere Schaumkonstrukt wie ein Wölkchen auf dem Berggipfel. Wer sich eher zu den Aufschäum-Grobmotorikern zählen muss, der ohne Üben, Üben, Üben nicht mal ansatzweise etwas Milchhauben-Ähnliches auf seinem Cappuccino zustande bekommt, dem sei folgender Rat mitgegeben, den ich unter der verheißungsvollen Überschrift „Der ultimative Supertipp“ auf www.kaffeewiki.de gefunden habe: „Zum Üben kann man statt Milch einfach kaltes Wasser in das Milchkännchen füllen, in das man einen Tropfen Spüli gibt. Das Spüliwasser ist in seinem Aufschäumverhalten der Milch täuschend ähnlich - und auch optisch, wenn man richtig geschäumt hat. Also Vorsicht, daß niemand das Zeug aus Versehen trinkt! „
Ahaaaa. Spüli statt Milchschaum. Das würde auch erklären, warum ich gestern den ganzen Abend Seifenblasen gemacht habe.