Sonntag, 22. Juli 2012

Von Hamburg nach München: Die Weißwurst ist doch ein Nordlicht

Gestern gab es mal wieder einen (kleinen) sportlichen Wettkampf, zur Belohnung gab es heute Weißwurst zum Frühstück. Obwohl ich in Süddeutschland geboren bin und lange in München gelebt habe, muss ich immer noch jedes Mal überlegen, ob man die Wurst jetzt erst ins Wasser legt und selbiges dann erwärmt oder ob man erst das Wasser warm macht und dann die Wurst reinlegt. Bevor jetzt alle anfangen zu googeln und nicht mehr weiterlesen: Man macht erst das Wasser warm und legt dann die Würste bei 70 bis 75 Grad Wassertemperatur 10 Minuten in den Topf. Der zweite Gedanke, der mir immer kommt, wenn es Weißwurst gibt, ist der, wie man sie korrekt verzehrt. Obwohl das inzwischen wohl ziemlich Latte ist. Sogar Alfons Schuhbeck sagt, dass kein Mensch mehr zuzelt, also das Wurstinnere mit den Zähnen aus der Haut saugt. Wie man das Brät aus dem Darm schält oder ob man den Darm der Einfachheit halber gleich dran lässt, kann jeder für sich entscheiden. Auch, wann man diesen deftigen Imbiss zu sich nimmt, ist inzwischen Tageszeit-unabhängig. Früher mussten sie Weißwürste bis 12 Uhr mittags verzehrt sein.Das lag zum einen an den nicht vorhandenen Kühlmöglichkeiten, zum anderen daran, dass diese Mahlzeit günstig und deshalb häufig an Arbeiter und Handwerker verkauft wurde, die die Wirte möglichst schnell wieder aus ihrem Haus haben wollten bevor die Reichen für ihren Lunch einliefen. Erfunden hat die Weißwurst angeblich 1857 der Moser Sepp, ein Metzgermeister aus München, dessen Lehrling den falschen Darm zum Bratwurst machen heimbrachte und sein Chef daraufhin improvisieren musste. Weil er befürchtete, dass der mitgebrachte Schweinedarm braten nicht aushalten würde, erwärmte er die Würste im Wasser - ein Klassiker war geboren (obwohl ich auch schon Weißwurst-Gröstl gegessen habe). Die Website helpster.de beschließt einen recht ausführlichen Text über Lagerung, Zubereitung und Verzehr der Weißwurst mit dem Satz: "Eine Weißwurst ist ein traditionelles bayrisches Gericht, das sich mit wenig Aufwand und schnell zubereiten lässt." Klingt schlüssig. Aber: Es gab die Weißwurst schon viel früher - und zwar genau im anderen Ende Deutschlands, in Hamburg. Und zwar seit 1806. Der Leibkoch eines Marschalls setzte damals den Gästen und Besuchern als zweites Frühstück die "Boudin blanc" vor, eine Luxusversion mit Kaviar (man war ja doch irgendwie eine Hafenstadt). Als die "Hamburger Franzosenzeit" im Laufe des 19. Jahrhunderts zu Ende ging und den Hamburgern ihr inniges Verhältnis zu den Franzosen etwas unangenehm war, schoben sie dieses Rezept ganz hinten in den Küchenschrank und ließen es in Vergessenheit geraten. Die Chance für den Moser Sepp zum Erfinder der Weißwurst zu werden. Ist vielleicht auch besser so. In Hamburg habe ich bisher noch keine einzige richtig resche Brezel gefunden.

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